Ini5 Lebensnotwendige Versorgung der Bevölkerung im Gazastreifen ermöglichen: UNRWA weiter unterstützen; für Waffenstillstand eintreten

Status:
Überweisung

Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung sowie die SPD-Bundestagsfraktion dazu auf, sich für folgende Punkte einzusetzen:
1. Politische und finanzielle Unterstützung einer vollständigen, unabhängigen und umfassenden Aufklärung der Vorwürfe gegen Mitarbeiter der UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestinians in the Near East), sowie der Aufarbeitung möglichen Versagens der Strukturen und Verantwortlichen.
2. Umsetzung von Reformen der UNRWA auf Grundlage der Ergebnisse der unabhängigen Untersuchung – hier sollte die Bundesregierung aktiv eine gestaltende Rolle gemeinsam mit anderen Geberstaaten anstreben.
3. Weiterführung der Finanzierung der UNRWA, zuvorderst angesichts ihrer unersetzlichen Rolle bei der humanitären Versorgung der Bevölkerung im Gazastreifen. Für eine nachhaltige Finanzierung der unverzichtbaren Arbeit der UNRWA muss sich auf den möglichen langfristigen Ausfall wichtiger bisheriger Geldgeber, wie den USA, vorbereitet werden.
4. Klare Positionierung gegen Forderungen nach einer Auflösung des UNRWA und öffentliche Benennung der Rufe nach einer Auflösung als fehlgeleitet, angesichts der Bedeutung von UNRWA für den Schutz der Rechte der Palästina-Flüchtlinge und der sozialen Sicherheit in der Region. Reformen in der Ausführung des UNRWA-Mandats sollten auf Grundlage unabhängiger Evaluierungen politisch nachvollziehbar auch in Deutschland diskutiert werden.
5. Glaubwürdigkeit als Unterstützer*innen eines funktionierenden multilateralen Systems und starker Vereinter Nationen zurückgewinnen, u.a. durch die Umsetzung der obigen Punkte, sowie durch ein entschiedeneres Eintreten für die Legitimität der multilateralen humanitären Agenturen. Forderungen nach Konditionierung und Politisierung humanitärer Hilfe in Gaza, aber auch in anderen Krisenkontexten, müssen durch alle Teile der Bundesregierung als Untergrabung der humanitären Prinzipien verurteilt und abgelehnt werden.
6. Entschlossener Einsatz der Bundesregierung für einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen, da aufgrund des Ausmaßes der Zerstörung ziviler Infrastruktur und aufgrund des persönlichen Risikos für humanitäres und medizinisches Personal ohne eine Einstellung der Kampfhandlungen keine ausreichende humanitäre Versorgung der Bevölkerung möglich ist.
7. Entschiedenes Eintreten für die umgehende Umsetzung der auf Basis der Völkermordkonvention durch den IGH erlassenen einstweiligen Maßnahmen hinsichtlich der Prävention eines Genozids in Gaza, sowie Kommunikation und Umsetzung politisch sanktionierender Maßnahmen ggü. der israelischen Regierung im Falle einer nicht-Umsetzung, da Deutschland aufgrund der absoluten Wirkung (erga omnes) der Konvention eine völkerrechtliche Verpflichtung hat, deren Einhaltung sicherzustellen.

Begründung:

Die Vorwürfe gegen UNRWA und seine Mitarbeitenden sind schwerwiegend. Sie bedürfen einer umfassenden und vollständigen Aufklärung. Dies kann nur durch eine unabhängige Untersuchung geschehen. Die Vereinten Nationen haben mit dem Einsetzen einer externen Untersuchungsgruppe bereits entsprechende Schritte eingeleitet. Eine umfassende unabhängige Evaluierung der Arbeit der UNRWA über die letzten Jahre ist zu begrüßen. Reformen von UNRWA müssen auf Grundlage der Ergebnisse dieser Untersuchungen umgesetzt werden. Die Bundesregierung sollte diesen Prozess politisch und finanziell unterstützen.
Die Arbeit der UNRWA im Gazastreifen kann kurz- und mittelfristig von keiner anderen Organisation übernommen oder ersetzt werden, wie das Inter-Agency Standing Committee (IASC), das Koordinationsforum der Vereinten Nationen für humanitäre Hilfe, deutlich gemacht hat. Angesichts der Bedeutung von UNRWA für die humanitäre Versorgung der Bevölkerung im Gazastreifen, würde das humanitäre System ohne das Hilfswerk zusammenbrechen. Eine weitere finanzielle Unterstützung des UNRWA ist daher unerlässlich, um grundlegendste Versorgung der Bevölkerung im Gazastreifen leisten zu können.
Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat Ende Januar entschieden, dass Israel sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen muss, um die dringend benötigte Grundversorgung der Palästinenser im Gazastreifen zu ermöglichen. Die humanitäre Situation hat sich seither nicht verbessert. Auch Deutschland trägt Verantwortung, die Umsetzung dieses Urteils zu unterstützen. Die vom IGH geforderte Bereitstellung von grundlegender Versorgung kann ohne den wichtigsten humanitären Akteur vor Ort, dem UNRWA, nicht geleistet werden.
Für die ausreichende Bereitstellung humanitärer Hilfe im Gazastreifen braucht es einen sofortigen Waffenstillstand, dies haben die internationale humanitäre Gemeinschaft und der Generalsekretär der Vereinten Nationen wiederholt deutlich gemacht. Die Bundesregierung sollte sich diese Forderung zu eigen machen und aktiv dafür einsetzen. Wir unterstützen in diesem Sinne ausdrücklich den offenen Brief eines transatlantischen Bündnisses von Parlamentarier*innen vom 18. Januar 2024, darunter 20 Bundestagsabgeordnete der SPD-Fraktion.
Forderungen nach einer Auflösung von UNRWA muss sich die SPD klar entgegenstellen. UNRWA leistet neben der humanitären Hilfe unverzichtbare Arbeit in den Bereichen Gesundheit, Bildung und sozialer Sicherheit im Gazastreifen, dem Westjordanland, Ost-Jerusalem, Jordanien, Libanon und Syrien. Das Mandat von UNRWA, beschlossen von der Generalversammlung der Vereinten Nationen, ist entscheidend für den Schutz der Rechte der Palästina-Flüchtlinge. Diskussionen um notwendige Reformen in der Ausführung dieses Mandats dürfen nicht verbunden sein mit Forderungen nach einer Auflösung des Mandats an sich.
Um die Glaubwürdigkeit Deutschlands als Unterstützerin eines funktionierenden multilateralen Systems und starker Vereinter Nationen zurückzugewinnen, ist diese klare Positionierung und eine Weiterführung unverzichtbarer humanitärer Unterstützung entscheidend. Ungerechtfertigten Diskreditierungen multilateraler Organisationen muss entgegengetreten werden, um die Legitimität der Vereinten Nationen aufrechtzuerhalten. Angesichts einer zunehmenden Fragmentierung der Staatengemeinschaft, die sich mit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober und den darauffolgenden Krieg verstärkt hat, ist die Sicherstellung starker multilateraler Organe entscheidend für die Funktionalität der internationalen Ordnung.

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