L1 Aktivität in sozialen Medien

Die Abteilung 1, die KDV Mitte und der Landesparteitag der SPD Berlin mögen – auch als Empfehlung für die Bundesebene – beschließen:

Unabhängig von allgemeinen Wahlen wird über niedrigschwellige, vor allem personalisierte Angebote in sozialen Medien Kontakt zu potentiell SPD-Wählenden insbesondere durch Mandatsträger:innen, Kandidierende geknüpft, gehalten und gepflegt, welcher in das Umfeld der jeweiligen Erlebenswelt sozialer Medien passt, wobei SPD-Programmatik eher nachrrangig sein kann und solidarisches, gemeinnütziges, in der Lebensnähe von politikfernen Wahlberechtigten nachvoll-ziehbares Verhalten im Vordergrund stehen sollte.

 

 

 

Begründung:

Eher ältere Menschen nutzen noch das lineare Fensehen bzw. ein zusammengestelltes Rundfunkprogramm, z.B. das ZDF, den Deutschlandfunk. Politische Inhalte bekom-men sie im Zeitrhythmus von Nachrichtensendungen und politischen Formaten des linearen Programms präsentiert.

 

Verändertes Nutzerverhalten und bei jüngeren Menschen bereits der Einstieg in den Medienkonsum geht einher mit einer allgemeinen Entrhythmisierung beim Hören, Sehen von Inhalten. Musik wird weniger im laufenden Radioprogramm gehört, sondern individuell zusammengestellt, ohne dass sie von Information wie den halbstündlichen Radionachrichten unterbrochen wird. Gleiches gilt für anzuschauende Inhalte z.B. aus der Mediathek, netflix etc.

 

Ohne die lineare Programmstruktur entfällt für viele Menschen der Informationsteil, insbesondere die Nachrichten. In der Mediathek wird ein Tatort nicht mehr nach bzw. zusammen mit der Tagesschau geschaut, Musik nicht mehr im Radio zwischen stünd-lichen Nachrichten- und sonstigen Informationsblöcken gehört. Die Tagesschau wird weniger um 20 Uhr angeschaut und falls überhaupt allenfalls in der Halbzeitpause eines Fußballspiels angeschaut. Eine verringerte politische Informiertheit und Bildung sind die Folge, wodurch die Fähigkeit zur Einordnung von neuen Informationen und Behauptungen nachlässt. Wer kaum bzw. keine verlässlichen Nachrichten hört, kann falsche Behauptungen im privaten Umfeld oder in sozialen Medien weder widerlegen, noch überhaupt dazu Stellung beziehen, weil dieser oder jener Fakt schlicht unbekannt bzw. der eigene Kenntnisstand viel zu unsicher ist, als dass hierzu Stellung bezogen werden könnte. Es wird dann geschwiegen.

 

Hinzu kommt ein seit der Corona-Pandemie wachsendes Phänomen, sich aus dem Strom von zum Teil verunsichernder Information auszuklinken. Nicht offensichtlich angenehme Informationen werden aktiv ignoriert, ihre Kenntnisnahme vermieden, soweit dies möglich ist.

 

Diese allgemeine Entwicklung zur Kenntnis nehmend verringert sich seit Jahren die Bedeutung klassischer Wege für die Verbreitung, Diskussion politischer Anliegen, Ideen, Beschlüsse sowie Kenntnis von Debatten, zum Meinungsstand hierzu und die hierauf beruhende eigene Meinungsbildung. Die Gesellschaft spaltet sich in Gut- und Überinformierte, die aktiv an Debatten teilnehmen oder zumindest Debattenformate wie die Talks in den Öffentlich-Rechtlichen, in podcasts etc. konsumieren bzw. folgen können und Wahlberechtigte, die eine solche Debatte überfordert, weil sie faktenunsicher, zu wenig vorinformiert bzw. zu wenig interessiert sind. Diese Entwicklung betrifft besonders klassisches SPD-Klientel. Die SPD kann dies weder abändern, noch zurückdrehen. Sie sollte sich dem aber nicht entziehen.

Dabei haben wenig informierte Wahlberechtigte genau so eine Stimme wie gut- und überinformierte Wahlberechtigte.

 

Soziale Medien wiederum können ein individuelles Gefühl von geistiger, emotionaler Nähe, Zuspruch, Verstandenwerden erzeugen. In einem solchen Umfeld gefühlter persönlicher Nähe ist es deutlich wahrscheinlicher, dass Informationen, Nachrichten wahrgenommen, geglaubt, Teil der eigenen Sichtweise und weiter verbreitet werden, eben weil sie sozial einbettet sind. Auch in sozialen Medien kommt es nicht allein auf die Information selbst an, sodern darauf, wer sie verbreitet.

 

Wahlwerbung nun im Bereich individueller Mediennutzung zu schalten, überträgt lediglich klassische Wahlwerbung aus dem Fernsehen in das Internet. Diese wird vornehmlich weggeklickt, sobald es möglich ist, weil sie bei der avisierten Medien-nutzung schlicht stört. Ein Wegklicken wäre im linearen Fernseh- und Radiopro-gramm nicht möglich.

 

Um Wahlberechtigte außerhalb linearer Angebote gut zu erreichen, dürfte sich eine personalisierte Kontaktaufnahme, das Kontakthalten innerhalb deren Medienkonsum-gewohnheiten bzw. im jeweiligen Social-Media-Umfeld anbieten, wobei es für diese Kontaktpflege genügen sollte, lebensnahe Geschichten zu erzählen, Stichworte und positive Emotionen zu verbreiten, die mit der SPD verbunden sind, wie z.B. solidarisches Verhalten, Gemeinnutz, Chancengleichheit etc. und damit überhaupt erst einen Zugang zu SPD-Themen bei Informationsinteresse zu legen. Dabei sollte die SPD-Programmatik zunächst kein Thema sein. Es bietet sich an, diesen Kontakt durch bekannte bzw. bekannt zu machende Personen, also Mandatsträger:innen, Wahlkreiskandidierende zu schaffen und zwar schon jetzt, lange vor anstehenden Wahlen. Dieser Kontakt hilft dann bei anstehenden Wahlen, denn dann dürfte bei sonst politikfernen Wahlberechtigten genug Interesse an politischer Beteiligung, Debatten, Inhalten aufkommen, also einfach mal zu schauen, was eine bereits unterhaltsame Kandidierende der SPD an politischen Themen verfolgt.

 

Wie gut ein solch personalisiertes Vorgehen gelingen kann, haben zuletzt die politi-schen Ränder der im Bundestag vertretenen Parteien vorgeführt.