L21 Daseinsvorsorge nach Bedarf bei Krankenhausleistungen

Status:
Annahme

Die KDV Mitte, der Landesparteitag Berlin und der Bundesparteitag der SPD mögen auch zwecks Aufnahme in zukünftige Wahlprogramme beschließen:

Die Mitglieder der Bundestagsfraktion der SPD werden aufgefordert, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich das Vergütungsinteresse des Krankenhausträgers für einen Krankenhausaufenthalt am tatsächlichen Behandlungsbedarf ausrichtet und nicht an möglichst häufiger und intensiver Krankenhausbehandlung, wie dies durch das jetzige Fallpauschalen-System gefördert wird.

Begründung:

Die im Entwurf für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) enthaltenen Regelungen, etwa die Einführung von Vorhaltepauschalen, sind zu unterstützen und sollten nicht verwässert werden. Sie sind ein Schritt in Richtung notwendiger Veränderung bei der Krankenhausfinanzierung.

Denn allein der Abgleich der hiesigen Krankenhausbehandlung mit dem EU-Zahlen mit ähnlich alt werdender Bevölkerung bringt für Deutschland eine erschreckende Überbehandlung ohne positiven Effekt für die Gesundheit der Bevölkerung hervor. Hierzulande gibt es 5,82 Krankenhausbetten pro 1.000 Personen. Im europäischen Durchschnitt sind es 4,2 Krankenhausbetten pro 1.000. Hierzulande werden jährlich 190 Operationen je 1.000 Personen an vollstationär aufgenommenen Patientinnen und Patienten durchgeführt. Im EU-Durchschnitt sind es 120 OPs auf 1.000 Personen, all dies ohne Nachweis etwa besserer Behandlungsergebnisse hierzulande. Eine Studie des Intensivmediziners Karaganides brachte zuletzt hervor, dass 59 % der über 80-Jährigen beatmet sterben. Insgesamt wurden am Ende ihres Lebens 10 % der im Krankenhaus Verstorbenen beatmet. Die Autoren führen diese im internationalen Vergleich zu Ländern mit ähnlicher Altersstruktur und gleichen Behandlungsmöglichkeiten bis zu 5-fach höheren Beatmungszahlen auf das bloße finanzielle Interesse der Krankenhausträger an der Durchführung gut vergüteter Beatmung zurück. Die Berichte von überflüssigen Hüft-OPs, zu vielen Stents für die Erweiterung der Blutgefäße, fragwürdigen Kniespiegelungen und Rücken-OPs sind bekannt.

Damit sich Krankenhäuser hierzulande von auskömmlich bis hoch profitabel finanzieren können, besteht in jeder Klinik hoher Druck insbesondere auf ärztliches Personal, möglichst viele Leistungen, also Untersuchungen und OP-Eingriffe auszuführen und dabei Patientinnen und Patienten möglichst krank erscheinen zu lassen, um einerseits eine große Menge an abrechenbaren Eingriffen und Untersuchungen zu generieren und andererseits aufgrund möglichst schwer erscheinender Erkrankung den dann hierdurch höheren Aufwand höher vergütet zu bekommen. Bei manch einem Krankheitsbild wird die Krankenhausbehandlung gleich in mehrere Eingriffe aufgeteilt, für die jedes Mal eine Aufnahme im Krankenhaus erfolgt, obwohl das Krankheitsbild mit einem einzigen Krankenhausaufenthalt behandelt werden könnte und jeder Eingriff Risiken mit sich bringt. Einziger Grund für diese Abläufe ist das Interesse des Krankenhausträgers, aus jedem Krankheitsbild möglichst hohe Einnahmen und am besten gleich mehrfach zu generieren. Und wer diese Abläufe mal hinterfragt, wird diesen Entgeltanreiz bei offen sprechendem Krankenhauspersonal bestätigt bekommen.

Das führt inzwischen auch dazu, dass schwer erkrankte, altersschwache Menschen am Ende ihres Lebens vielfachen Eingriffen ausgesetzt sind, für alle Patienten die Eingriffsschwelle immer weiter absinkt, ohne dass für jeden einzelnen Eingriff noch ein Patientennutzen nachweisbar wäre. Es wird im Krankenhaus schneller als notwendig operiert/behandelt, weil es vorrangig Geld einbringt und die Besserung von Krankheitsverläufen gerade bei vielfach Erkrankten einen nachgeordneten Stellenwert hat.

Unnötige Behandlung ist nicht nur risikobehaftet, sondern führt wiederum zu ausuferndem Pflegeaufwand beim Pflegepersonal, das ja nach jedem Eingriff, nach jeder Untersuchung den dafür anfallenden Pflegeaufwand stemmen muss und das aufgrund Personalmangels häufig überarbeitet ist. Das hat nicht nur einen Pflegenotstand in Krankenhäusern zur Folge, den es ohne diese Eingriffshäufigkeit nicht gäbe, sondern mit jedem Eingriff ohne Patientennutzen sinkt auch die Motivation für das Pflegepersonal, das auch ohne ärztliches Wissen die Nutzlosigkeit von manch Eingriff und den damit kreierten, zum Teil hohen Pflegeaufwand zu erkennen vermag.

Der Fehlanreiz, möglichst viele Eingriffe durchzuführen, führt im Übrigen auch dazu, dass Kliniken Krankheitsfälle übernehmen, denen hierfür Expertise und Ausstattung nach den neuesten Standards für so eine Behandlung schlicht fehlt. Wer schwer erkrankt ist und sich noch entscheiden kann, sollte keinesfalls die nächste Klinik, sondern ein ausreichend spezialisiertes Haus aufsuchen, das viele solcher Fälle behandelt. Der mit einer potentiellen Fehlbehandlung einhergehende Nachbehandlungsaufwand führt zu viel Leid, hohen Kosten und ebenso ausuferndem Pflegeaufwand.

Würden derzeit nur noch wirklich stationär behandlungsbedürftige Menschen im hierfür jeweils kompetenten Krankenhaus behandelt, könnten etwa 1/3 aller vollstationären Krankenhausbehandlungen entfallen. Der vielfach beklagte Pflegenotstand im Krankenhaus wäre beendet. Und behandlungsbedürftig sind die Krankheitsfälle, bei denen eine Besserung des Krankheitsleidens durch die Krankenhausbehandlung zu erwarten ist. Zusätzlich ermöglicht die medizinische Entwicklung schon heute eine immer bessere ambulante Versorgung.

Dies wird mit einer Krankenhausfinanzierung erreicht, die den tatsächlichen Behandlungsbedarf honoriert und gerade nicht finanziell fördert, Menschen möglichst krank und vielfältig sowie häufig behandlungsbedürftig erscheinen zu lassen. Die Ampelregierung hat sich dieser gefährlichen Entwicklung nun angenommen. Mit diesem Antrag soll dem von manch Landesregierung noch beanstandeten Veränderungsbedarf Nachdruck verliehen werden, die durch das Fallpauschalensystem entstandenen Fehlanreize bei der Vergütung von Krankenhausbehandlung zurückzudrängen.

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)
Beschluss: Angenommen im Konsens
Text des Beschlusses:

Die KDV Mitte, der Landesparteitag Berlin und der Bundesparteitag der SPD mögen auch zwecks Aufnahme in zukünftige Wahlprogramme beschließen:

Die Mitglieder der Bundestagsfraktion der SPD werden aufgefordert, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich das Vergütungsinteresse des Krankenhausträgers für einen Krankenhausaufenthalt am tatsächlichen Behandlungsbedarf ausrichtet und nicht an möglichst häufiger und intensiver Krankenhausbehandlung, wie dies durch das jetzige Fallpauschalen-System gefördert wird.

Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: