1573 Gerechte Strafjustiz nur bei Pflichtverteidiger:innen für alle!

Status:
Annahme

Die Strafprozessordnung wird dahingehend geändert, dass jeder/m Beschuldigten bzw. Angeklagten ein/e Pflichtverteidiger:in auf Staatskosten zugeordnet wird, sofern sie/er die Kosten eines eigenen Strafverteidigers nicht tragen kann, unabhängig von der Art und Schwere des Vorwurfs bzw. der Anklage. Die Auswahl der/s Pflichtverteidigers:in darf nur durch eine unabhängige Instanz außerhalb des zuständigen Strafgerichts ohne Einflussnahme durch die/den zuständigen Strafrichter:in erfolgen.

Begründung:

Entgegen eines vielfach verbreiteten Irrtums hat nicht jede/r Beschuldigte bzw. Angeklagte in Deutschland Zugang zu einer/m Strafverteidiger:in. Gemäß § 140 Strafprozessordnung (StPO) besteht nur sogenannten Fällen der notwendigen Verteidigung ein Anspruch auf eine/n Pflichtverteidiger:in. Hierbei handelt es sich entweder um schwere Straftaten und Verbrechen, Fällen von Untersuchungshaft und ähnliche Fälle oder die/der Beschuldigte ist nicht in der Lage sich selbst zu verteidigen. Das sind nach Schätzungen nur ca. 10 % aller Fälle. D.h. von ca. 915.000 Angeklagten pro Jahr müssen mehr als 800.000 ihren Strafverteidigung selbst bezahlen oder bleiben ohne angemessene anwaltliche Unterstützung. Auch wenn es sich hier in der Regel minderschwere Vorwürfe wie z.B kleine Diebstähle, einfache Betrügereien, Trunkenheitsfahrten handelt, können die Folgen einer fehlenden anwaltlichen Unterstützung für die Betroffenen gravierend sein. Es kommt immer wieder vor, dass Anklagen erhoben und auch zur Verhandlung zugelassen werden, obwohl die Beweise, auf denen sie beruhen, einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. In der Regel sind nur Strafverteidiger:innen in der Lage derartige Beweisverwertungsverbote zu erkennen und in der korrekten Art geltend zu machen. Erfolgt dies nicht, drohen den Betroffenen damit rechtsstaatswidrige Verurteilungen. Juristische Laien können auch oft die Tragweite bestimmte Handlungen und Ereignisse im Strafprozess nicht beurteilen. Die gilt z.B. für die Ausübung des Schweigerechts, die Prüfung von Zeugenaussagen oder auch das Vorbringen mildernder Umstände für die Strafzumessung. Hierfür bedarf es eigentlich immer einer anwaltlichen Beratung und Unterstützung.

Während sich gut situierte Angeklagte eine qualifizierte Beratung durch Strafverteidiger:innen leisten können, werden mittellose Angeklagte meistens allein gelassen und können sich daher nicht angemessen verteidigen. Dies führt i.d.R. zu weniger Freisprüchen oder Einstellungen und härteren Verurteilungen. Damit bricht der Rechtsstaat sein zentrales Versprechen der Gleichbehandlung vor Gericht. Als Sozialdemokraten können wir dies nicht hinnehmen und müssen uns dafür einsetzen, das jede/r Betroffene – unabhängig vom Vermögen – die Chance auf ein faires Verfahren erhält, indem die Bereitstellung von Pflichtverteidigern:innen nicht mehr von der Art des Tatvorwurf abhängig gemacht wird sondern, grundsätzlich jede/r eine/n Pflichtverteidiger:in bekommt, die/der sich keine/n eigene/n Verteidiger:in leisten kann. Dies ist in vielen anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Polen, Italien, Spanien, den Niederlanden u.v.a bereits der Fall.

Die bisherige Praxis, dass die Pflichtverteidiger:innen von den zuständigen Richtern:innen bestimmt werden, stellt außerdem nicht sicher, dass diese nur den Interessen ihrer Mandanten:innen dienen. Auch wenn die meisten Richter:innen bemüht sind, die besten Pflichtverteidiger:innen zu bestimmen, besteht dennoch die Gefahr eines Interessenskonfliktes. Denn viele Anwälte:innen, welche eine regelmäßige Bestellung als Pflichtverteidiger:in anstreben, sind hierfür auf ein gewisses Wohlwollen der zuständigen Richter:innen angewiesen und verzichten nachgewiesenermaßen häufiger auf Rechtsmittel zugunsten der/des Angeklagten als andere Strafverteidiger:innen. Auch dies führt zu Benachteiligungen mittelloser Angeklagter:innen. Daher sollte die Zuordnung von Pflichtverteidigern:innen nicht mehr durch die zuständigen Richter:innen sondern durch unabhängige Instanzen wie z.B. Anwaltskammern erfolgen.

Text des Beschlusses:

Die Strafprozessordnung wird dahingehend geändert, dass jeder/m Beschuldigten bzw. Angeklagten ein/e Pflichtverteidiger:in auf Staatskosten zugeordnet wird, sofern sie/er die Kosten eines eigenen Strafverteidigers nicht tragen kann, unabhängig von der Art und Schwere des Vorwurfs bzw. der Anklage. Die Auswahl der/s Pflichtverteidigers:in darf nur durch eine unabhängige Instanz außerhalb des zuständigen Strafgerichts ohne Einflussnahme durch die/den zuständigen Strafrichter:in erfolgen.

Beschluss-PDF: